Ernst (Ernest) Drucker
Zum Zeitpunkt seiner Geburt waren Ernst Druckers Eltern in Deutschland noch nicht eingebürgert. Deshalb besaß der 1909 in Köln geborene Ernst einen polnischen Pass. An der Kölner Staatlichen Hochschule für Musik schrieb sich Drucker für das Fach Violine ein und freundete sich mit dem 17-jährigen Cellisten und Dozenten Emmanuel Feuermann an. Die Freundschaft der beiden jungen Männer überdauerte auch die Emigration in die USA; erst Feuermanns früher Tod im Jahr 1942 setzte ihr ein Ende.
1933 schloss Drucker seine Studien ab und sollte anlässlich seines Examens ein Violinkonzert von Johannes Brahms spielen. Wenige Tage vor der Aufführung wurde sein Name jedoch aus dem Programm gestrichen. Sein Lehrer Bram Elderling intervenierte und drohte die Hochschule zu verlassen, wenn sein Schützling nicht auftreten dürfte. Daraufhin wurde Drucker erlaubt, den ersten Satz zu spielen – während in der vordersten Reihe „Braunhemden“ saßen. Das Konzert wurde im „Stadt-Anzeiger für Köln und Umgebung“ positiv rezensiert, doch der „Westdeutsche Beobachter“ zeigte deutlich, wie sich das Klima bereits geändert hatte, als er am 19. Juli 1933 kritisierte, „daß man eines der wertvollsten deutschen Violinkonzerte […] ausgerechnet einem Juden übergab“. Drucker ließ es sich nicht nehmen, daraufhin einen erhalten gebliebenen Leserbrief an die Zeitung zu verfassen. Dennoch waren ihm die weitreichenden Auswirkungen der staatlichen Diskriminierungen auf seine zukünftige Arbeit in Deutschland bewusst. Bereits 1934 bemühte sich Drucker daher um eine Auswanderung nach England. Der Versuch misslang. Die Beamten verwehrten ihm angesichts der mitgeführten Empfehlungsschreiben die Einreise, da sie wohl zu Recht vermuteten, dass Drucker nicht nur einen kurzen Aufenthalt im Land plante, sondern sich vielmehr längerfristig ansiedeln wollte.
Druckers Fertigkeit als Violinist erfuhr große Anerkennung. Zusammen mit Adolf Stauch und Oswald Uhl bildete er das Stauch Trio. 1936 wurde er eingeladen, Mitglied des neu gegründeten Palestine Orchestra zu werden. Doch trotz bereits ausgestellter Papiere trat er die Stelle nicht an. Stattdessen wurde er Konzertmeister und Solist beim Jüdischen Kulturbund in Frankfurt. Im Frühjahr 1938 wechselte er nach regem Austausch mit Kurt Singer zum Jüdischen Kulturbund in Berlin. Sehr zum Missfallen Singers emigrierte Drucker bereits im Herbst 1938 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in die USA.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er unter anderem als Mitglied im Indianapolis Symphony Orchestra, dem Cleveland Orchestra und der NBC Symphony. 1939 heiratete er die Pianistin Ethel Gisnet in Brooklyn, die er im November 1938 kennengelernt hatte. Wenige Jahre später wurde Drucker 1943 zum Militärdienst eingezogen und diente in der Air Force. Im Anschluss an seine 1945 erfolgte Entlassung fragte ihn Adolf Busch, ebenfalls ein Schüler Elderlings, ob Drucker Teil der Busch Chamber Players und des Busch Quartetts werden wolle. Drucker sagte zu und begleitete die Musiker auf ihrer Europatournee, die ihn unter anderem nach England, Italien, Island und in die Schweiz führte. Trotz des Erfolges zog sich Drucker nach der Tournee zurück, um mehr Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn Hermann Jack zu verbringen. 1947 wurde Drucker zum stellvertretenden Konzertmeister (bis 1969) und ersten Geiger im New Yorker Metropolitan Opera Orchestra (bis 1985) berufen. Zusätzlich spielte er auch im Chautauqua Music Festival (1946-1947, 1958-1984) und war Mitglied im Chautauqua Symphony Orchestra sowie Konzertmeister des Opernorchesters in Chautauqua. Sein zweiter Sohn Eugene Drucker wurde 1952 geboren und trat als Begründer des Emerson String Quartetts in die Fußstapfen seines Vaters.
1993 starb Ernst Drucker in New York. Somit blieb es ihm verwehrt mitzuerleben, wie sein Sohn Eugene 2015 in Raanana bei einem Konzert zur Erinnerung an den Jüdischen Kulturbund auftrat und das 1933 von Ernst Drucker begonnene Violinkonzert von Brahms in D-Dur vollendete.
Lebensstationen:
Köln - Frankfurt am Main - Berlin - Indianapolis - Cleveland - New York
Bilder :
Videos :
KULTURBUND - Raanana Symphonette Orchestra Special guest: Violinist Eugene Drucker
Literaturhinweise :
Ernest Drucker Collection 1926-2003, AR 25166 (http://www.lbi.org/digibaeck/results/?qtype=pid&term=430969)
Ernest Drucker Collection 1926-2003, AR 25166 (http://www.lbi.org/digibaeck/results/?qtype=pid&term=430969)
Drucker, Eugene/Fetthauer, Sophie(Übersetzung). Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM), 2010, aktualisiert am 9. Mai 2016 (http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00004428)
Heller, Aron. Jewish Violinist Completes Father's Performance, 80 Years After Cut Short by Nazis, in: Haaretz, 2. Juni 2015.
Chana, Jas. A Tale of Two Violinists, in: Tablet Magazine, 5. Juni 2015.