Marion Koegel und Werner Seelig-Bass

„Eternal Bliss that's called „Cloud Nine”, with gentleness, sweet touch of class, in Meidbatz it came to pass”, dichtete Werner Seelig-Bass für seine Frau am 4. Mai 1987. Wie innig ihre Beziehung war, verdeutlicht bereits der Kosename „Meidibatzer“: ein symbiotisches Doppelwesen, das als untrennbare Einheit die Jahrzehnte überdauerte und auch in Marion Corda Bass‘ Nachruf auf ihren Mann Erwähnung fand. Doch Marion und Werner waren nicht nur als Liebende, sondern auch als künstlerisches Paar bestens eingespielt.

Werner Seelig-Bass wurde am 6. Oktober 1908 in Brandenburg an der Havel geboren. Wenig deutete damals auf eine musikalische Karriere hin. Sein Vater Eugen Seelig war Ingenieur sowie Gründer der Elektromotorenfabrik „Spingat und Seelig“ und verstarb recht früh. Seine Mutter heiratete erneut, und Mischa Bass adoptierte ihre Kinder, wodurch Werner fortan Seelig-Bass hieß. Er besuchte die renommierte Saldria, der er Zeit seines Lebens verbunden blieb. Nach dem Abitur folgte ein Studium an der Berliner Universität und der Staatlich Akademischen Hochschule für Musik. In dieser Zeit lernte er Edmund von Borck kennen. Die Kommilitonen entdeckten rasch ihr wechselseitiges Interesse an modernen Musikformen und Jazz. Binnen sieben Monaten komponierten sie die Oper „Komissar Rondart“, die bereits im November 1931 ausschnittsweise von den Berliner Philharmonikern aufgeführt wurde und durch die prominente Verwendung von Saxophon und Banjo auf sich aufmerksam machte. Doch die Wege der Freunde trennten sich nach der nationalsozialistischen Machtübernahme rasch. Die einzig existierende Fassung der Oper verblieb bei von Borck und wurde 1944 bei einem Bombenangriff vollends zerstört. Trotz seiner Jugend gelang Werner Seelig-Bass ein rascher Aufstieg als Künstler. Seit 1930 war er Konzertmeister und Korrepetitor im Staatstheater in Kassel, bis er 1933 als Jude entlassen wurde. Zwar wurde die Entlassung aus rechtlichen Gründen wenig später in eine fadenscheinige Beurlaubung umgewandelt, aber zu dem Zeitpunkt hatte Werner Seelig-Bass sich bereits ein neues Betätigungsfeld gesucht: Er wurde Dirigent beim Jüdischen Kulturbund Theater in Berlin und machte sich zudem einen Namen als musikalischer Begleiter am Klavier.

Im Januar 1935 griff dann, wie Seelig-Bass es später beschrieb, das Schicksal „ mit Riesenschritten ins Leben zweier Menschen ein“. Die 1909 in Polen geborene Österreicherin Marion Koegel feierte 1933 in Berlin ihr erfolgreiches Debüt. Sie galt als „eine der begabtesten Kabarettistinnen des Nachwuchses“ und als „Gewinn der Berliner Saison 1934“, bis sie zum Kulturbund wechselte. Danach brillierte sie als begnadete Sängerin von Chansons und nahm mehrere Platten bei Lukraphon auf. Ihre Auftritte, bei denen Werner Seelig-Bass sie am Klavier begleitete, begeisterten das Publikum und erhielten euphorische Kritiken.

Als der Kulturbund 1937 einen internationalen Wettbewerb auslobte, komponierte Werner Seelig-Bass sein „Vorspiel zu einer jüdischen Feier“. Unter über 120 Einsendungen wurde es „als einziges Orchestervorspiel preisgekrönt“ und zur Feier des 40-jährigen Gründungsjubiläums der Zionistischen Vereinigung am 31. Mai 1937 erstaufgeführt. Wenige Monate später emigrierten beide über Kuba in die USA, wo Marion Koegel sich bald in Marion Corda umbenannte. 1941 heirateten sie. Werner Seelig-Bass wurde 1943 zum Militärdienst eingezogen und dirigierte Militärorchester in Europa. Nach dem Krieg tourte er unter der United Service Organization (USO) durch Japan, die UDSSR, DDR, Australien, Neuseeland, Hong Kong, Philippinen und Südafrika.

Doch während Werners Karriere zunehmend Fahrt aufnahm, konnte Marion nicht an ihre früheren Erfolge in Europa anknüpfen. Trotz positiver Rezensionen ihrer Konzerte in der amerikanischen Presse wurde es ruhig um die einst gefeierte Chansonkünstlerin. Ihr Mann avancierte hingegen zum gefragten Gastdirigenten (z.B. beim New York Philharmonic Orchestra, American Symphony Orchestra, der NBC Symphony of the Air, Detroit Opera) und Universitätsdozenten (New York University, City University of New York). In den USA erlebte auch sein Werk „Song of Hope“ (basierend auf dem „Vorspiel einer jüdischen Feier“) Premiere. Unter Leopold Stokowski wurde es am 25. Januar 1964 in der Constitution Hall in Washington, DC aufgeführt. 1966 berief ihn die American Society for Composers, Authors and Publishers (ASCAP) zum Mitglied.

Seine akademische Laufbahn führte ihn erst an die NYU, wo er nach Abschluss seines B.A.s und M.A.s vom College of Music zum Associate Professor ernannt wurde. Auf Grund persönlicher Differenzen wurde sein einjähriger Lehrauftrag 1968 nicht verlängert, was Studentenproteste hervorrief. Einblicke in den Bruch zwischen der Fakultät und Werner Seelig-Bass gibt der erhaltene Briefwechsel. Letztendlich nahm Seelig-Bass 1969 eine Position als Professor am CUNY an und behielt diese bis an sein Lebensende. Seine Qualitäten als Universitätsdozent bestätigte die Ehrung als „Outstanding Educator of America“, die er 1971 und 1972 erhielt.

Werner Seelig Bass starb 1988, Marion Corda 2000.

Lebensstationen:

Brandenburg - Berlin - Kassel - Kuba - New York

Bilder :
Literaturhinweise :

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Marion Koegel, Themenjahr Berlin 2013, Zerstörte Vielfalt: http://www.berlin.de/2013/portraets/ausgewaehlte-portraets/koegel-marion/

Stolpersteine in Kassel e.V.: http://stolpersteine.jimdo.com/biografien/werner-seelig-bass/

Werner Seelig-Bass, Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LexM): http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00002289

du Cosel, Amaury. Erstickte Stimmen: „Entartete Musik“ im Dritten Reich, Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag, 2010, S. 201 ff.

Nemtsov, Jascha. Deutsch-jüdische Identität und Überlebenskampf: Jüdische Komponisten im Berlin der NS-Zeit, Wiesbaden: Harrasowitz Verlag, 2010, S. 267-327.

Nemtsov, Jascha. Der Zionismus in der Musik: Jüdische Musik und nationale Idee, Jüdische Musik. (Studien und Quellen zur jüdischen Musikkultur, Bd. 6), Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2009, S. 270-277.

Geisel, Eike/Broder, Henryk M. Premiere und Pogrom: Der Jüdische Kulturbund 1933-1941. Texte und Bilder, Berlin: Siedler, 1992, S. 183.

Heer, Hannes et. al. (Hrsg.). Verstummte Stimmen: Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessischen Theatern 1933 bis 1945, Berlin: Metropol, 2011, S. 304-306.

Harriett Johnson, Stokowski Leads „Song of Hope“, in New York Post, 28. Januar 1964.

Fled Nazis. Tells of Raid, in: Daily Mirror, 4. Februar 1940.

MARION KOEGELL TO SING. She Will Appear in Her First American Recital Tomorrow, in: New York Times, 2. April 1939.

Arno Nadel. Marion Koegel. Chansons und Lieder aller Länder, in: Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, 24. März 1935.